Lohnersatzleistung für Pflegende muss kommen

Die Situation für pflegende Angehörige muss dringend verbessert werden, fordert dbb Chef Ulrich Silberbach gemeinsam mit dbb frauen und dbb senioren. „In einem sind sich alle Parteien einig: Ein ‚Weiter so‘ soll es nicht geben. Das muss auch uneingeschränkt für die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung gelten“, machte der Vorsitzende des Dachverbands der DPVKOM, Ulrich Silberbach, am 6. Oktober 2021 – dem Europäischen Tag der pflegenden Angehörigen – deutlich.

Der scheidenden Regierung attestierte Silberbach, eine wichtige Chance vertan zu haben. „Anstatt sich die nötige Zeit für eine umfassende Reform der Pflegeversicherung zu nehmen, haben sich die Verantwortlichen mit kosmetischer Detailarbeit aus der Affäre gezogen. Die künftigen Koalitionspartner haben jetzt die Gelegenheit, alles richtig zu machen und endlich diejenigen, die die Hauptlast der Pflege in unserer Gesellschaft tragen, ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Und das sind vor allem Frauen, die ihre Angehörigen privat pflegen.“

Als Mitglied im Beirat zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf hatte sich der dbb gemeinsam mit zahlreichen weiteren Verbänden und Interessenvertretungen eingebracht und konkrete Vorschläge für eine Lohnersatzleistung im Pflegefall vorgelegt. „Neben der Aufstockung der Betreuungsplätze in der Kurzzeitpflege muss endlich auch die Lohnersatzleistung für Pflegezeiten eingeführt werden“, forderte Silberbach.

dbb senioren: Pflegezeiten in der Alterssicherung besser anrechnen

Wer Angehörige pflegt, soll in der Alterssicherung bessergestellt werden, fordern die dbb senioren. „Für viele bedeutet ein Pflegefall in der Familie auch heute noch ein Alter in Armut. Und das betrifft vor allem Frauen, die mehr als 70 Prozent der Hauptpflegepersonen ausmachen. Sie stecken beruflich zurück, arbeiten lange in Teilzeit oder geben ihre Jobs sogar ganz auf, um Kinder, Kranke oder Alte zu pflegen. Das dürfen wir als Gesellschaft nicht länger tolerieren. Pflegezeiten müssen sich stärker als bisher renten- und versorgungserhöhend auswirken“, erklärte Dr. Horst-Günther Klitzing, Vorsitzender der dbb senioren. Die bisherigen Maßnahmen zur Abmilderung der Pflegelast reichten bei weitem nicht aus. „Die Möglichkeit, Versicherungsbeiträge je nach Pflegegrad an die Rentenversicherung abzuführen, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisierte Klitzing.

dbb frauen: Gender Care Gap schließen

Vor allem Frauen, die die Hauptlast der privaten Pflege tragen, kann eine Lohnersatzleistung für Pflegezeiten entlasten, betonten auch die dbb frauen. „Einen Pflegefall kann man nicht planen wie eine Babypause. Man weiß nie, wann es einen trifft und für wie lange die Pflegesituation anhält. Sicher ist nur, wenn es einen trifft, dann muss alles sehr schnell gehen. Eine staatlich geförderte Auszeit in Form einer Lohnersatzleistung nach dem Vorbild des Elterngeldes verschafft Planungssicherheit und schützt viele Pflegende vor dem finanziellen Ruin“, erklärte dbb frauen Chefin Milanie Kreutz.

Von der künftigen Regierung forderte Kreutz zudem eine nachhaltige Strategie zur fairen Verteilung der familiären Sorgelasten. „Wir müssen Care-Arbeit entstigmatisieren. Auch für Männer muss es einfacher werden, Eltern- und Pflegezeiten in Anspruch zu nehmen und in Teilzeit zu arbeiten, wenn Angehörige ihre Unterstützung benötigen. Das kann nur durch einen gesellschaftlichen Wandel gelingen.“ Aber auch die Arbeitgebenden dürfen sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. „Jeder Arbeitgebende hat es selbst in der Hand und kann für seine Beschäftigten ein familienorientiertes Arbeitsklima schaffen – mit guten Arbeitsschutzregelungen, familiengerechten Entwicklungsmöglichkeiten und familienfreundlichen Arbeitszeiten. Der öffentliche Dienst muss hier mit gutem Beispiel vorangehen“, forderte Kreutz.
 

Hintergrund

Rund 3,4 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Drei Viertel von ihnen werden zu Hause versorgt, davon 1,76 Millionen in der Regel allein durch ihre Angehörigen. Derzeit gehen Berechnungen von etwa 4,8 Millionen pflegenden Angehörigen aus. Davon sind rund 2,5 Millionen Menschen erwerbstätig. Sie müssen Pflege und Beruf gleichzeitig schultern. Mehr als 70 Prozent der Hauptpflegepersonen sind Frauen, die sich oft auch parallel um die Kinderbetreuung kümmern. Pflegende Angehörige sind damit die größte Pflegesäule in Deutschland.

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