„Natürlich macht das Corona-Virus keinen Bogen um die Beschäftigten der Deutschen Post und es gibt auch eine angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt, die dem Unternehmen zu schaffen macht. Aber: Die derzeitigen Probleme im Bereich der Zustellung sind vor allem hausgemacht!“ Mit diesen Worten reagiert die Bundesvorsitzende der Fachgewerkschaft DPVKOM, Christina Dahlhaus, auf die zunehmenden Kundenbeschwerden und die immer lauter werdende Kritik an der unregelmäßigen Zustellung von Briefen durch die Deutsche Post.
So ist der eklatante Personalmangel bei der Deutschen Post kein neues Phänomen. Die DPVKOM weist bereits seit Jahren darauf hin, dass die Personaldecke viel zu dünn ist und dem Unternehmen bundesweit mehrere Tausend Zusteller fehlen. Außerdem ist die Anzahl der Befristungen im Unternehmen viel zu hoch. Jeder fünfte bis sechste Mitarbeitende hat einen befristeten Arbeitsvertrag.
Neu ist jedoch, dass mittlerweile immer mehr Beschäftigte das Unternehmen verlassen, weil sie unter den gegebenen Arbeitsbedingungen nicht mehr arbeiten wollen oder können. Dadurch wird das Problem des Fachkräftemangels noch verschärft. So haben in den zurückliegenden Monaten mehr als 10.000 Zustellerinnen und Zusteller das Unternehmen notgedrungen verlassen. Dahlhaus dazu: „Wer seine Beschäftigten so ausquetscht und behandelt, darf sich nicht wundern, wenn viele völlig überlastet sind, krank werden und sich eine neue Arbeit suchen.“ Ein Grund hierfür ist auch das neue flexible Zustellkonzept der Deutschen Post. Dieses sieht unter anderem den Wegfall der sogenannten Stammbezirke und täglich wechselnde Arbeitsorte vor. Für Beschäftigte in der Zustellung hat das zur Folge, dass sie die Besonderheiten des neuen Gebietes oftmals gar nicht kennen und die Arbeitsmenge in der vorgesehenen Arbeitszeit gar nicht bewältigen können. Dadurch erhöhen sich sukzessive die sogenannten Rückstände im Bezirk, die dann an den darauffolgenden Tagen zugestellt werden müssen. Auch den klassischen Stammzusteller, den die Kunden schätzen, wird es nicht mehr geben. „Der Wunschzusteller der Post soll absolut flexibel und jederzeit austauschbar sein sowie wenig kosten – und natürlich jung und fit sein“, so die Bundesvorsitzende.
Die Flexibilisierung der Zustellung führt darüber hinaus zu immer kurzfristigeren Arbeitseinsätzen der Beschäftigten. Ein planbares Privat- und Familienleben wird dadurch enorm erschwert oder gar unmöglich gemacht. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass auch der Anteil der psychischen Erkrankungen immer weiter zunimmt. „Immer mehr Zustellerinnen und Zusteller sind angesichts der derzeitigen Arbeitssituation frustriert und demotiviert. Sie können schlichtweg nicht mehr und fallen krankheitsbedingt aus“, so Dahlhaus weiter. Nicht von ungefähr liegt der Krankenstand im Unternehmen im unteren zweistelligen Prozentbereich, und zwar unabhängig von Corona!
Wenn die Deutsche Post nicht schnellstmöglich die Arbeitsbedingungen im Bereich der Zustellung verbessert und zusätzliches Personal unbefristet einstellt, müssen sich die Menschen hierzulande auf weitere und länger anhaltende Einschränkungen beim Empfang ihrer Briefe und bestellten Ware einstellen. Das kann auch Auswirkungen auf das Weihnachtsgeschäft haben. Dahlhaus: „In den zurückliegenden Jahren wurde die Zustellung im sogenannten Starkverkehr vor Weihnachten unter größter Anstrengung aller Beteiligten, auch durch den Einsatz von Verwaltungskräften, gewuppt. Ob das in diesem Jahr ebenfalls gelingt, darf angesichts der derzeit schon angespannten Situation und trotz der Ankündigung des Unternehmens, mehr als 10.000 Aushilfskräfte einstellen zu wollen, bezweifelt werden.