Wichtige Informationen zur Betriebsratsarbeit im Corona-Zeitalter Mitbestimmungsrechte bleiben bestehen!

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen und Verhaltensregeln wirken sich auch auf die Arbeit der betrieblichen Interessenvertretungen aus. Nachdem die DPVKOM gestern Antworten zu wichtigen arbeitnehmerrechtlichen Fragen gegeben hat, infomieren wir heute über die Folgen der Corona-Krise für die Betriebsratsarbeit.

1. Können Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte aufgrund der derzeitigen Corona-Lage ausgesetzt oder eingeschränkt werden?

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bleiben die Mitbestimmungsrechte auch bei sogenannten Eilfällen bestehen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Regelung möglichst umgehend erfolgen muss. Der Arbeitgeber darf in diesen Fällen im Bereich der sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs. 1 BetrVG) ohne die Beteiligung des Betriebsrates keine (vorläufigen) einseitigen Anordnungen treffen.

Entsprechend dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit kann es aber sinnvoll sein, dass der Betriebsrat in Eilfällen unverzüglich eine Sitzung einberuft – gegebenenfalls unter telefonischer Ladung. Dies ist etwa denkbar bei dringend gebotenen Regelungen zum Gesundheitsschutz oder zum Ordnungsverhalten im Betrieb. Lediglich bei personellen Einzelmaßnahmen (zum Beispiel dringend gebotene Einstellungen bei plötzlich auftretendem Personalausfall) sind vorläufige arbeitgeberseitige Maßnahmen zulässig.

Bei der Schließung eines Betriebes durch die behördliche Anordnung von Quarantäne gemäß § 30 Infektionsschutzgesetz besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Maßnahmen, die Folge der Betriebsschließung sind, unterfallen dagegen der betrieblichen Mitbestimmung.

2. Darf der Betriebsrat weiter Betriebsratssitzungen halten?

Auch in Gefahrensituationen kann der Arbeitgeber dem Betriebsrat grundsätzlich nicht vorschreiben ob und wann er Sitzungen abhält. Auch in einem solchen Fall muss der Arbeitgeber geeignete Räumlichkeiten für die Sitzungen zur Verfügung stellen. Dies gilt auch im Falle einer etwaigen Betriebsschließung. Dann muss der Arbeitgeber gegebenenfalls Räumlichkeiten außerhalb des Betriebes oder der Dienststelle bereitstellen, wenn die Gefährdungslage dies erfordert.

3. Sind wirksame Beschlüsse von BR, GBR, KBR auch außerhalb von Präsenzsitzungen, zum Beispiel im Rahmen von Video- oder Telefonkonferenzen beziehungsweise im Umlaufverfahren möglich?

Nach bisheriger Rechtsauffassung gelten aufgrund des Anwesenheitsgrundsatzes sowie des Nichtöffentlichkeitsgebotes sogenannte virtuelle Betriebsratssitzungen als unzulässig. Beschlüsse, die zum Beispiel im Rahmen einer Videokonferenz ergehen, sind hiernach bisher als unwirksam angesehen worden.

Nach unserer Auffassung muss allerdings angesichts der bestehenden Ausmaße der Gefährdungslage aufgrund der Corona-Pandemie über Alternativen nachgedacht werden, die es ermöglichen, die Handlungsfähigkeit des Betriebsrates aufrechtzuhalten.

Das Bundesarbeitsministerium für Arbeit und Soziales hat dazu in einer Presseerklärung am 20. März 2020 Stellung genommen und die Auffassung vertreten, dass der Betriebsrat ohne Weiteres aufgrund der Pandemie-Lage auch virtuelle Konferenzen abhalten und dort dann auch wirksame Beschlüsse fassen könne.

Dieser Sichtweise schließen wir uns grundsätzlich an, halten es aber für sinnvoll, dass Betriebsräte, die sich für eine solche Vorgehensweise entscheiden sollten, vorab in ihrer letzten Präsenssitzung einen entsprechenden Beschluss fassen und diesen mit den Arbeitgebern abstimmen.

Es wäre aus Gründen der Rechtssicherheit sehr sinnvoll, hierüber dann auch eine entsprechende Regelungsabrede mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren.

4. Kann sich der Betriebsrat gegen die Anordnung von „Zwangsurlaub“ wehren?

Ja, er kann seine Zustimmung zu sogenannten „Betriebsferien“ oder „Zwangsurlaub“ verweigern mit der Folge, dass der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen muss, wenn er an seinem Vorhaben festhalten will. Der Betriebsrat hat bezüglich der Urlaubsgrundsätze, des Urlaubsplans und sogar bezüglich der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Beschäftigte ein Mitbestimmungsrecht. Anordnung von Urlaub ohne Zustimmung des Betriebsrates oder eine diesbezügliche Entscheidung der Einigungsstelle ist rechtlich unmöglich. Die derzeitige Gefährdungslage ändert nichts an dieser Tatsache.

5. Kann der Betriebsrat die Einführung von Kurzarbeit verlangen und kann er gegebenenfalls die Einführung von Kurzarbeit verhindern?

Da Kurzarbeit betriebsverfassungsrechtlich eine mitbestimmungspflichtige vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit darstellt, kann der Arbeitgeber keine Kurzarbeit ohne Zustimmung des Betriebsrates oder eine entsprechende Einigungsstellenentscheidung anordnen. Auf der anderen Seite kann der Betriebsrat von seinem Initiativrecht Gebrauch machen und Kurzarbeit verlangen. Können sich die Betriebsparteien in diesem Fall nicht einigen, entscheidet die Einigungsstelle.

Grundsätzlich bedarf diese Entscheidung einer besonnenen vorherigen Prüfung durch die Betriebsräte, ob alle milderen Mittel ergriffen wurden, damit Nachteile für die Beschäftigten verhindert werden können.

6. Kann der Arbeitgeber Reisen von Betriebsratsmitgliedern zu ihren Sitzungen untersagen?

Nein, der Arbeitgeber kann zwar einseitig Dienstreisen von Beschäftigten grundsätzlich oder in bestimmte Regionen untersagen. Da aber Betriebsräte ein durch das Betriebsverfassungsgesetz geschütztes Ehrenamt ausüben und hiervon auch das Teilnehmen und Beraten in Betriebsratssitzungen umfasst wird, gilt dies nicht für die Reisetätigkeit von Betriebsräten in diesem Zusammenhang, soweit sich das Gremium weiterhin für das Abhalten von Präsenzsitzungen entscheidet.

7. Können durch Rechtsverordnungen auf Grundlage des § 32 Infektionsschutzgesetz die Mitbestimmungsrechte reduziert oder gar ausgesetzt werden?

Da das Betriebsverfassungsgesetz die Beteiligung von Beschäftigten in Betrieben regelt und damit ein Arbeitnehmerschutzrecht darstellt, kann das Betriebsverfassungsgesetz nicht durch landesrechtliche Rechtsvorschriften reduziert oder gar ausgesetzt werden, auch wenn staatliche Eingriffsrechte im Pandemie-Katastrophenfall Rahmenbedingungen für betriebliches Handeln ändern können.

Das Infektionsschutzgesetz IfSG (Bundesrecht) beinhaltet Regelungen zu vorbeugenden Maßnahmen. Behörden, in der Regel das Gesundheitsamt, können damit notwendige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen. Das ist etwa die Anordnung von Quarantäne oder auch das Tätigkeitsverbot von Beschäftigten. Dabei ist allerdings die berufliche Tätigkeit gemeint, nicht die Tätigkeit als Betriebsrat, womit sich an der Gültigkeit des Betriebsverfassungsgesetzes nichts ändert.

Weitere Informationen:

DPVKOM beantwortet weitere Fragen zum Corona-Virus (Thema Arbeitnehmerrechte)

DPVKOM beantwortet Fragen zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie (Thema Kinderbetreuung)